Verquickt und zugenäht

Die saarländische Gründungsszene kommt einfach nicht vom Fleck. Nun hat Ministerpräsident Tobias Hans im Wahlkampf versprochen, HiTech Gründungen zu unterstützen. Dazu will er 15 Mio. Euro öffentliche Gelder in ein Förderprogramm stecken, den SaarTech Cycle.

In der IHK sprach er Anfang des Monats davon, die HiTech Gründungen seien deshalb so wichtig, weil sie Arbeitsplätze schüfen. Als Beispiele erwähnte er IDS Scheer (die es seit 2015 nicht mehr gibt) mit 250 Arbeitsplätzen und Inexio (die ich als Netzanbieter eher nicht in die HiTech Schublade getan hätte) ohne Nennung einer Zahl.

Doch die Gründungsszene an der Saar ist sehr viel bunter - und sie schafft sehr viel mehr Arbeitsplätze.

Pro Jahr finden hier an die 2.500 Existenzgründungen im Haupterwerb und fast 4.000 Nebenerwerbsgründungen statt.

In den Genuss einer SaarTech Cycle Förderung kommen davon vielleicht fünf. Lass es auch zehn sein. Der Rest sieht von den erwähnten 15 Mio. …

…nichts.

Ich fordere deshalb, die Gründungsförderung weniger stark auf HiTech auszurichten und Bereiche wie Kreativwirtschaft, Handwerk, Handel, Gastgewerbe, Social Entrepreneurship sowie Unternehmensnachfolgen wieder stärker in den Fokus zu nehmen.

Insbesondere, weil einige dieser Sparten gewaltig an der Corona-Pandemie zu leiden hatten und dringend eine Wiederbelebung bräuchten.

Das kürzlich eingeführte Starter Stipendium Saar ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber ein Schritt reicht nicht.

Außerdem macht Geld alleine auch nicht glücklich. Eine der größten Baustellen der saarländischen Gründungsförderung sind die vielen Köche, die oft den Brei verderben, weil sie gegen- statt miteinander agieren.

Wenn Tobias Hans vorschlägt, alle Förderaktivitäten in der Staatskanzlei zu bündeln, ist das also prinzipiell zu begrüßen.

Ob das unter dem Hausherrn gut aufgehoben ist, bezweifle ich jedoch. Als großer Kenner dessen, was sich in der Gründungsszene unterhalb der Ebene der Leuchttürme und Einhörner abspielt, ist der nämlich nie aufgefallen.

Doch es ist nicht nur die allzu starke Fokussierung auf die Créme de la Crème der Gründungen. Der SaarTech Cycle hat in meinen Augen noch ein weiteres Problem: sein Geschmäckle.

Das Programm ist so gestrickt, dass sich auch Wagniskapitalgesellschaften an den Finanzierungen beteiligen können und sollen.

Die öffentlichen Millionen dienen also auch zum Hebeln privater Renditen, sodass nicht nur die StartUps gefördert werden, sondern auch die Finanzwirtschaft einen guten Schub mitbekommt. Aus Steuermitteln übrigens, die ursprünglich einmal für die Bewältigung der Corona-Pandemie im Saarland bewilligt wurden.

Dass diese Wertschöpfung dann nicht mehr diesseits der Landesgrenzen stattfindet, sei hier nur am Rande erwähnt.

Keine Frage, ein Gründungsland braucht Wagniskapital, auch von außen.

Aber wenn ich sehe, dass der Bevollmächtigte für Innovation und Strategie des Saarlandes, Ammar Alkassar, der den SaarTech Cycle verantwortet, nebenbei als Berater für eine private Wagniskapitalgesellschaft fungiert, die an dem bereitgestellten Sümmchen direkt verdienen kann,

wenn ich in der Zeitung lese, dass der Co-Geschäftsführer der Technologietransfergesellschaft an der Saar-Uni und Geschäftsführer des dortigen IT Inkubators, Ralf Zastrau, sich persönlich an Unternehmen beteiligt, die er zuvor mit öffentlichen Mitteln gefördert hat,

wenn ich sehe, dass gleichzeitig der oberste Dienstherr der beiden, unser Landesvater, auf dem IHK Panel den Namen der landeseigenen, öffentlichen Wagnisfinanzierungsgesellschaft SWG nicht zusammenbekommt,

wenn ich höre, dass Insider von einer Amigo-Bande sprechen, die hinter der Idee des SaarTech Cycles stünde,

wenn ich rekapituliere, aus welcher Richtung die persönlichen Anfeindungen nach meiner ersten Kritik daran kamen, und wie krass sie waren,

und wenn ich mich dann frage, warum das Business Angels Netzwerk Saarland, das seit über zwanzig Jahren die saarländische StartUp Szene erfolgreich unterstützt, wie viele andere Förderinitiativen in der Konzeptionierung völlig übergangen wurde,

dann möchte ich bezweifeln, dass es im Kern des SaarTech Cycles wirklich um das Land und seine Gründer:innen geht.

Michael Bauer, im März 2022